Österreichs Grande
Dame der Fotografie
 

Elfie Semotan zählt zu den großen FotografInnen unserer Zeit. Mittlerweile erfährt ihr Werk auch im Kunstkontext seine gebührende Wertschätzung - die Kunsthalle Krems zeigt gerade eine grosse Einzelausstellung der österreichischen Fotokünstlerin.

  Text: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
  Die international gefragte Fotografin ist auch mit 70 noch sehr beschäftigt und fliegt zwischen ihren Wohnsitzen New York und Wien hin und her. Zum Interviewtermin in ihrem Wiener Studio erscheint sie makellos gestylt, strahlt jugendliche Tatkraft aus. Das Handy schnurrt - Anrufe vom ORF und deutschen Magazinen - Elfie Semotan ist begehrt. Im Studio stapeln sich die Abzüge, die Starfotografin bereitet gerade ihre große Ausstellung in der Kunsthalle Krems vor. Im Gespräch weicht Semotans distinguierte Coolness schnell einer einnehmenden Herzlichkeit und Offenheit. "Ich suche Geschichten oder Kontexte, in denen ich Mode darstellen kann, die keine abgegriffene Inhalte oder Umgebungen darstellen."Die Ideen für ihre Arbeit können von überall her kommen. Bücher, ein Bild in einer Zeitung oder eine Ausstellung. Für eine Modestrecke mit Supermodel Claudia Schiffer etwa war die Inspirationsquelle eine Ausstellung des Künstlerpaares Anna und Bernhard Blume in der Wiener Secession. "Da gab es diese Serie "Küchenkoller", wo Erdäpfel und Möbel fliegen. Ich wollte das Shooting, wenn überhaupt, ungefähr so machen: Als Chaosparty - nicht malerisch an eleganten Büromöbeln lehnend. Da waren die Auftraggeber dann schon ein bisschen verzweifelt. Aber der Art Director sagte, nein nein, das ist ok, das machen wir so. Und so hab ich's gemacht." Mit ihrer starken und unverkennbaren Handschrift, die dem Glamour und der oft oberflächlichen Schönheit der Modewelt mit einer starken Portion Ironie und Witz begegnet, hat es Elfie Semotan bis ganz nach oben geschafft. Ihre Modestrecken und Portraits schmückten und schmücken die wichtigsten und einflussreichsten Magazine von ID über Elle und Vogue bis zu Harper's Bazar. Während andere die Supermodels als gesichtslose Schönheiten inszenierten, war Semotan immer daran gelegen, auch die Themen weiter zu verfolgen, die sie selbst interessieren: "Wie kann ich eine Frau überhaupt darstellen, wie will ich sie darstellen. Was zitiere ich da gleichzeitig, was möchte ich zitieren. Was möchte ich auf gar keinen Fall machen. Das war schon immer alles enthalten in meinen Serien."

Geänderte Wahrnehmung

Seit einigen Jahren werden die Arbeiten Semotans zunehmend im Kunstkontext rezipiert. In Österreich seit 1998 von der renommierten Wiener Galerie Gabriele Senn vertreten, bestreitet Semotan regelmäßig Ausstellungen im In- und Ausland. "Ich war mir immer bewusst, dass ich da eine eigene Position beziehe und dass meine Serien speziell sind", meint Semotan, "ich hatte früher einfach nicht die Zeit - die Kinder waren klein, ich musste viel reisen, ich war zwei mal verheiratet - mich darum zu kümmern, in welchem Kontext meine Fotos wahrgenommen werden." Ob Semotan sich selber als Künstlerin begreift, lässt sie offen: "Ich habe mich immer geweigert, diesen Begriff wirklich anzuwenden. Ich mache einfach meine Fotografie so, wie ich glaube, dass es richtig ist. Und wie man das dann bezeichnet, darum kümmere ich mich eigentlich nicht."

New York Views und "Wegwerffotos"

In ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Krems zeigt Semotan jedenfalls überraschend viele Arbeiten, die außerhalb des Modekontextes entstanden sind. "Am Anfang der Ausstellung hängen schwarz-weiße Vintage Prints von Landschaften, ganz klassisch im Format 30 x 40. Dann geht es weiter mit verschiedenartigen Modeszenarien, die gegenübergestellt werden. Im nächsten Raum stehen sich unterschiedliche Darstellungen von Frauen gegenüber. Und im großen Raum im Erdgeschoss zeige ich weitgehend unbekannte Arbeiten wie "Division Street". Fotos, die ich in New York gemacht habe: Immer die selbe Stelle der Straße über Jahre und Jahre." Auch den - wie Semotan sie nennt - "Wegwerffotos" wird breiter Raum eingeräumt. "Das sind eigentlich Fotos, die nichts wirklich darstellen, die sozusagen misslungen sind. Martin Kippenberger und ich planten ein Buch mit diesem Thema zu machen, dazu kam es nicht mehr. Ich habe weiter gemacht und das Ergebnis stelle ich nun in Krems aus." (Der Künstler Martin Kippenberger, mit dem Semotan in zweiter Ehe verheiratet war, verstarb 1997) Arbeiten jedenfalls, die die Fotografin noch nie in dieser Form in Österreich öffentlich gezeigt hat. Man darf sich also auf einige eher unbekannte Seiten von Semotans Schaffen freuen.

Im Gespraech über ihre Fotografien stellt sich überhaupt heraus, dass die Aspekte ihrer Arbeit, die nicht mit der Modefotografie in Zusammenhang stehen, einen zunehmend gewichtigeren Teil im Werk der Grande Dame der österreichischen Fotografie einnehmen. In der Serie "New York Views" etwa ergründet Semotan fast zufällig anmutende, oft menschenleere Alltagsszenerien, die auf den ersten Blick eher unspektakulär erscheinen. "Licht war mir immer wichtig, Licht und Schatten, so eine gewisse Strenge hatte ich gern, auch eine gewisse Kargheit. Und die Sicht auf die Straße, ein Trottoir und irgendein Parkanzeiger sind ja nicht gerade sehr üppig. Das sind jetzt nicht Dinge, die einem sofort auffallen würden. Die werden, glaube ich, nur etwas durch den Blick, den man darauf wirft." Da erstaunt es dann auch nicht, dass Semotan neben den ersten, offensichtlicheren Vorbildern für ihre eigene Arbeit wie Frank Horvat oder die amerikanische Dokumentarfotografin Dorothea Lange auch William Eggleston nennt. "Eggleston zum Beispiel hat unglaublich schöne Farben, Farben, die man nur im Süden, in warmen, kargen Ländern findet, und er war einer, der Dinge fotografiert hat, die jetzt im Nachhinein gesehen natürlich selbstverständlich erscheinen, die aber vor ihm nie jemand beachtet hat."

Bücher und andere Projekte

Die Themen werden Semotan also wohl nicht so schnell ausgehen. Die Frage, ob sie sich jemals vorstellen könnte, ganz zurückgezogen im Burgenland sich ihrem Garten zu widmen, wird jedenfalls noch bevor sie zur Hälfte ausgesprochen ist mit einem lauten, fast empörten "Na ja, nein!" abgeschmettert. "Ich werde nie fertig. Das Leben geht immer weiter, es stellen sich neue Fragen und es müssen neue Lösungen gefunden werden. Also das hört, denke ich, nie auf - Gott sei dank!" Für den Herbst ist jedenfalls ein Buchprojekt in Arbeit, "Wien Mitte", für das Semotan über mehrere Jahre die Baustelle des Bahnhofs Wien Mitte fotografisch begleitet hat. "Aber auf eine sehr persönliche Art. Ich habe nur das fotografiert, was mich berührt hat, was sich aufgedrängt hat und was ich interessant fand", merkt Semotan an. Auch die in Krems erstmals gezeigten "Wegwerfbilder" sollen einmal, wie mit Martin Kippenberger geplant, in Buchform erscheinen. Auf den kommenden kreativen Output der großen Fotografin darf man also sehr gespannt sein, da wird sicherlich noch einiges Überraschendes und Unkonventionelles nachfolgen.




copyright: rois&stubenrauch | für maxima 7/2013

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