Culture Talk
Simone Young

 

Ein Gespräch mit der in Sydney geborenen Stardirigentin Simone Young über ihre Pläne für die Zukunft, Frauen am Dirigentenpult, Shakespeare und die Figur der Lady Macbeth in Giuseppe Verdis Oper Macbeth, die sie im Juni an der Wiener Staatsoper dirigiert.

  Interview: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
  Frauen am Dirigentenpult sind noch immer rar, es drängen aber mittlerweile viele hochtalentierte junge Dirigentinnen nach - wird das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Dirigentinnen?
Warum sollte es einen Unterschied geben machen, ob ein Mann oder eine Frau dirigiert? Die Zeiten ändern sich, die Gesellschaft ändert sich, und diese Veränderungen dringen langsam in die hochtraditionelle Welt der klassischen Musik ein. Ich werde den Tag sehr begrüßen, an dem gar nicht mehr darüber geredet wird!

Lady Macbeth als machtbewusste Frau mit seelischen Abgründen ist zentrale Figur und treibende Kraft der Oper, für die Verdi selbst mit seinem Wunsch, die Sängerin der Uraufführung möge „nicht singen“, eine radikale Absage an die Belcanto-Tradition formulierte - was für eine Lady Macbeth wird man unter Ihrer Dirigentschaft in Wien zu hören bekommen?
Die Anweisungen Verdis zeigen einen neuen Weg auf, mit gesungenenm Text umzugehen. Wir nähern uns dem Verismo-Stil an. Nichtsdestotrotz ist ein Großteil der Partie Belcanto pur. Daher braucht man für diesen Part eine außerordentliche Sängerin-Darstellerin, die allen Herausforderungen gerecht wird und vor allem die Fähigkeit mitbringt, nach den ganzen Wut- und Leidenschaftsausbrüchen, noch ins Pianissimo zu gehen, um die Tragik und Zerbrechlichkeit der Figur am Ende der Oper zeigen zu können. Spannend!

Gibt es so etwas wie eine Lieblingspassage für Sie in dieser Oper?
Es gäbe mehrere – schon die wilden Hexenchöre, das perfekte Macbeth-Lady Duett um den Mord von Duncan, Macbeths „Dolch-Monolog“......aber mein echter Favorit ist die Schlafwandelszene.

Was fasziniert Sie speziell an der Schlafwandelszene, die ja vom Abgleiten der Lady Macbeths in den Wahnsinn handelt?
Die Konstruktion von Verdi: Er war ein unglaublich guter Musikdramaturg und hat Shakespeares Intensionen so wunderbar umgesetzt. Verdi hat unglaublich tolle Gesangslinien für die Lady entwickelt - und bricht diese sehr melodramatische Szene dann durch die trocken, fast rezitativisch vorgetragenen Kommentare von Arzt und Amme. Als Zuhörer stellen wir uns an die Seite der Amme und des Arztes und beobachten die Lady Macbeth fast insgeheim. Ich finde das musikdramaturgisch einfach genial!

Wo liegen Ihre musikalischen Schwerpunkte für die Zukunft - nachdem Sie Ihr Engagement als Intendantin an der Staatsoper Hamburg 2015 nach zehn Jahren beendet haben?
Als Intendantin in Hamburg endete jedes kleine Problem irgendwann auf meinem Tisch. Jetzt bin ich tatsächlich nur für die Musik da - und mache nur die Sachen auf die ich wirklich 120 Prozent Lust habe. Ich genieße das freie Leben sehr und habe das Privileg, dass ich an den besten Adressen arbeiten kann: Wien, München, Dresden, Zürich, Berlin... Sehr schön für mich ist auch, dass ich jetzt viel Zeit in neue Schienen meines Repertoires investieren kann: etwa das Opus von Liszt - oder das Slawische Repertoire mit Janáček und Prokofjew - da sind einige sehr schöne Projekte für die Zukunft angedacht. Ich lerne jetzt sogar eine Stunde Russisch jeden Tag!

Seit ihrem Wiener Debüt 1993 sind Sie regelmäßig am Dirigentenpult der Staatsoper zu erleben - was bedeutet Wien als Opernstadt für Sie?
Es ist immer eine Ehre und eine Freude in Wien zu dirigieren. Das wunderbare Orchester, die Sänger aus der allerersten Liga, der vielseitige Staatsopernchor... und ja, das Haus und sein Publikum – ich freue mich jedes Jahr wieder hier zu sein!!



Simone Young ist in Sydney geboren, wo sie 1985 ihre Dirigierkarriere begann. 1993 gab sie ihr Aufsehen erregendes Debüt an der Wiener Staatsoper. Von August 2005 bis Ende der Saison 2014/2015 war Simone Young Intendantin der Staatsoper Hamburg und Generalmusikdirektorin des Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, wo sie ein breites musikalisches Spektrum von Premieren und Repertoirevorstellungen von Mozart über Verdi, Puccini, Wagner und Strauss bis zu Hindemith, Britten und Henze dirigierte.





copyright: rois&stubenrauch | für Cercle Diplomatique 2/2016

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