Haus, Wein & Design |
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Aus der Südsteiermark kommen erstklassige Weine. Dass hier auch herausragende Architektur spriesst, ist (noch) eher wenig bekannt. | |
Interview: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch | |
Wer Südsteiermark sagt, meint natürlich Wein. Polz, Tement, Gross, Regele... – klingende Namen von Weingütern, deren Spitzenprodukte in den letzten Jahren einen fixen Platz auf den nationalen und internationalen Weinkarten erobert haben. Die malerischen Weinberge zwischen Spielfeld und Leutschach sind aber nicht nur die Herkunft erstklassiger Sauvignon blancs, Morillons oder gelber Muskateller. Hier treibt auch das im ländlichen Raum ansonsten nicht gerade üppig sprießende Pflänzchen moderne Architektur zahlreiche erstaunliche und äußerst bemerkenswerte Blüten. Quasi als Begleiterscheinung des österreichischen Weinwunders nach den Erschütterungen des Weinskandals von 1985 ist hier in den letzten Jahren einiges gebaut worden, das den internationalen Vergleich genauso wenig zu scheuen braucht wie die Spitzenweine der Region. Herausragende Architektur mitten in der Provinz, noch dazu in einer Grenzregion, die nach wie vor zu den Fördergebieten der EU zählt? Das mag auf den ersten Blick vielleicht verwundern, doch wenn man ein zweites Mal hinschaut auch wieder nicht. Graz ist nahe, und gerade in der steirischen Landeshauptstadt sind in den letzten 20 Jahren zahlreiche Weg weisende Bauten realisiert worden – da sind die spektakulären Projekte des Kulturhauptstadtjahres wie das neue Grazer Kunsthaus oder die Murinsel nur die Spitze des Eisbergs. Diese starke Architekturtradition gab nun einerseits gelungene Beispiele zeitgenössischen Bauens en Masse vor, andererseits weiß man ja nicht erst seit Herzog & de Meurons Geniestreich Dominus Winery im kalifornischen Nappa Valley oder dem Loisium in Langenlois, dass Architektur und Wein ein kongeniales Paar sind. Es liegt also im Grunde durchaus nahe, wenn man schon den Keller auf den letzten technologischen Stand bringt und neu baut, auch gleich einen eleganten, durchdesignten Verkaufsraum einzuplanen und dabei vielleicht nicht einfach den lokalen Baumeister sondern Architekten, die sich ein paar tiefer gehende Gedanken zu Wein und Umfeld machen zu engagieren. So haben in den letzten Jahren die selben Protagonisten, die schon für den Aufstieg der südsteirischen Weine verantwortlich waren, auch einiges an erstklassiger Architektur in Auftrag gegeben - mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und entsprechend vielfältigem Ergebnis. Angefangen vom puren Understatement beim Weingut Regele, wo der funktionale Anbau von g2plus_architekten von der Straße gänzlich unsichtbar bleibt und man erst über den alten Weinkeller quasi unter dem Haus durchtauchen muss, um in den lichtdurchfluteten, sehr klaren Zubau zu gelangen, bis hin zur weithin sichtbaren Landmark von Klaus Jaretzky bei Tement, die sich als verschachtelter Glaskubus samt Aussichtsturm und enormer Terrasse über die Hügelkuppe erhebt, und deren Verkaufsraum auch als Terminal eines Regionalflughafens durchgehen würde. Auf dem Weingut Gross gruppieren sich inmitten des Weingartens verschiedene Baukörper rund um den bis ins letzte Detail durchdesignten, schon fast sakralen Verkostungsraum aus Glas und viel Sichtbeton, in dem absolut nichts von der perfekten Inszenierung des Weins ablenkt – selbst die hübsche südsteirische Hügellandschaft bleibt hinter massiven Flügeltüren ausgesperrt. Erwin Sabathi hat sich von Igor Skacel eine riesige Kiste in einen jungfräulichen Hang setzen lassen, die ebenso gut eine Fabrik für Mikrochips oder eine etwas überdimensionierte Luxusvilla sein könnte. Als kleiner Anachronismus fährt dann der Senior mit einem uralt Mofa aus den 70-ern vor, das nicht so wirklich zur funkelnden Hochglanzarchitektur des neuen Weinguts passen will. Dem bemerkenswerten architektonischen Aufbruch der österreichischen Weinszene, der neben der Südsteiermark auch das Burgenland und die Weinbaugebiete Niederösterreichs umfasst, wurde letztes Jahr mit einer Ausstellung im Architekturzentrum im Wiener Museumsquartier Rechnung getragen. Doch abgesehen vom architektonischen Fachinteresse ist die Südsteiermark auch ein hervorragendes Beispiel, wie gute Architektur önologischen und kommerziellen Mehrwert kreiert, einerseits durch die Möglichkeit modernste Kellertechnik einzusetzen, andererseits ist eine Vinothek, die auch architektonisch etwas hermacht, dem Verkauf ab Hof natürlich keineswegs abträglich. Irgendwo in der goldenen Mitte zwischen Understatement und protzigem Angebertum liegt das Weingut Polz, vielleicht das gelungenste Beispiel für die ziemlich einzigartige österreichische Symbiose zwischen Qualitätsweinbau und zeitgenössischer Architektur. Ein niedriger, halb im Hang versenkter Glaskubus schließt elegant an den dezent umgebauten Bestand und wird von einer Bruchsteinmauer, die auch den Eingang zur Vinothek beherbergt, gegen die Weinberge hin abgeschlossen. Die großflächig hinter der gesamten Glasfassade angebrachten Weinflaschen zierten jedenfalls schon zahlreiche Architekturzeitschriften. Martina Kalteis und Norbert Grabensteiner, die als g2plus_architekten auftreten, zeichnen nicht nur für die äußerst gelungenen Projekte bei Polz und Regele und für den noch im Bau befindlichen, spektakulären Neubau des Weinguts Schilhan in Gamlitz verantwortlich, sie sind auch die Architekten des im Mai dieses Jahres eröffneten Hotels An der Lage am Hochgraßnitzberg. Dieses durchdesignte Haus mit lediglich zehn puristisch-luxuriösen Zimmern - ohne Fernseher, dafür mit einer absolut genialen Aussicht durch die raumhohen Fenster über die Reben von Polz und Tement bis nach Slovenien hinüber - bietet die adäquate Unterkunft für architekturbeflissenen Besucher und sorgt wohl endgültig dafür, dass in Zukunft immer auch Architektur und Design gemeint ist, wenn das Wort Südsteiermark fällt.
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