Culture Talk
Julia Fischer

  Die deutsche Stargeigerin und Artist in Residence der Wiener Symphoniker der Speilzeit 2017/18 Julia Fischer im Cercle Diplomatique Exklusiv-Interview über musikalisches Vertrauen, das Leben als „Wunderkind“ und Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in E-Moll.

  Interview: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
  Was hat Sie bewogen, die Einladung zum Artist in Residence der Wiener Symphoniker für die Saison 2017/18 anzunehmen?

Meine Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern geht bis ins Jahr 2006 zurück, insofern mag ich das Orchester sehr gerne und schon sehr lange sehr gerne! Philippe Jordan, ihr Chefdirigent, ist ein sehr geradliniger, ehrlicher Musiker ohne Mätzchen. Ich mag ihn sehr, es geht ihm wirklich um die Sache, um die Musik. Wenn alle Seiten bereit sind, die Äußerlichkeiten weg zu lassen, kann man wirklich hohe Kunst zustande bringen.

Sie werden als „die große Intellektuelle unter den Geigenvirtuosen der Gegenwart“ beschrieben - eine Charakterisierung mit der Sie sich identifizieren können?

Ich glaube schon, dass es Musiker gibt, die weniger intellektuell an Musik heran gehen. Ich lese und denke viel nach über die Werke, die ich spiele. Ich bin auch intuitiv, aber ich finde, alles, was man musikalisch tut, muss Sinn und Verstand haben! Jemand, der im Konzert sitzt, soll ein emotionales Erlebnis haben - aber in der Vorbereitung ist die intellektuelle Arbeit essentiell.

Sie haben mit drei Jahren mit dem Geigenspiel begonnen, seit Ihrem gefeierten internationalen Debüt mit 19 gelten Sie als Weltstar – wie gehen Sie mit den hohen Erwartungen an Sie um?

Erwartung von anderen - die interessieren mich gar nicht! Ich habe extrem hohe Erwartungen an mich selbst, natürlich. Wenn ich abends auf die Bühne gehe, habe ich selbstverständlich im Kopf, wie das im Idealfall ablaufen soll. Aber ich hatte nie den Eindruck, ich müsse irgendwelche Erwartungen von Außen erfüllen.

Es gab nie den Druck von Seiten Ihrer Eltern, Sie müssen das Wunderkind sein?

Nein überhaupt nicht. Ich hätte auch einfach sagen können, ich höre heute auf. Den Wunsch, dass ich Geigerin werden möchte, habe ich selbst sehr deutlich formuliert. Wenn man mich mit vier oder fünf gefragt hat, habe ich als Antwort gegeben: Ich bin Geigerin! Bei meinen Auftritten hat meine Mutter auch nie gesagt, pass auf diese oder jene Passage auf und bitte keine falschen Noten und immer freundlich lächeln. Sie hat stets nur gesagt: Und jetzt geh raus und habe Freude auf der Bühne!

Das Publikum wird Sie auch am Konzertflügel erleben - zusammen mit Philippe Jordan geben Sie die Fantasie in F-Moll für Klavier zu vier Händen von Franz Schubert. Ein Stück, das eine große Vertrautheit mit ihrem musikalischen Partner voraussetzt?

Die Vertrautheit, die man bei so etwas braucht, die hat man gleich oder gar nicht, die kann man nicht üben. Es gibt diesen gemeinsamen Herzschlag. Ich bin sehr stolz, dass Philippe Jordan bereit ist, mit mir vierhändig Klavier zu spielen.

Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert steht ebenfalls am Programm. Was macht dieses Werk zum richtungsweisenden Klassiker?

Erstmal gehört es zu den schönsten Werken, die geschrieben wurden! Für mich steht Mendelssohn total ebenbürtig neben Mozart. Die Revolution, dass sofort die Geige einsetzt - dass nicht mehr zuerst das Orchester die Themen vorstellt, hat dieses Stück zum Klassiker gemacht. Und ich freue mich extrem darauf, es in Wien zu spielen.


PERSONAL DETAILS
Julia Fischer, geboren in München, begann im Alter von drei Jahren mit dem Geigen- und kurz darauf mit dem Klavierspiel. Ihr internationales Debüt gab die von der Süddeutschen Zeitung als „Jahrhunderttalent“ geadelte Musikerin mit 19 in der Carnegie Hall in New York, mit 23 wurde sie die jüngste Professorin Deutschlands. In der Saison 2017/18 ist Julia Fischer Artist in Residence der Wiener Symphoniker.

INFO
Fischer, Jordan, Wiener Symphoniker
Mendelssohn Bartholdy, Brahms
17.11.2017, Fridays@7, Wiener Konzerthaus

Fischer, Jordan, HABE Quartett
Schubert, Bruch, Dvorák
18.11.2017, Wiener Konzerthaus

Fischer, Jordan, Wiener Symphoniker
Beethoven, Mendelssohn Bartholdy, Mahler
19.11.2017, Wiener Konzerthaus

juliafischer.com
wienersymphoniker.at






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