Feminismus reloaded
 

New Feminism, #MeToo, Frauenvolksbegehren 2.0 – nicht nur stehen feministische Themen wieder ganz oben im gesellschaftlichen Diskurs, auch der österreichische Dokumentarfilm nimmt sich inzwischen in mehreren Produktionen des brisanten Themas Feminismus an. Maxima hat mit drei Regisseurinnen gesprochen.

  Text : Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
 

Im Herbst 2018 stehen einige wichtige frauenpolitische Termine auf der Agenda: Zum Einen feiert Österreich mit dem 100-jährigen Bestehen der Republik am 12. November auch 100 Jahre Frauenwahlrecht. Zudem läuft Anfang Oktober die Eintragungswoche für das Frauenvolksbegehren 2.0. Auch mit dem Aufschrei der MeToo-Debatte, die längst auch Österreich erreicht hat, ist das lange Zeit marginalisierte Thema Feminismus wieder im Herzen des gesellschaftlichen Diskurses angelangt und hat inzwischen auch den österreichischen Film erreicht.

Pop-Feminismus und Humor
„Feminism WTF“ - schon mit dem eher provokativ gewählten Titel (das aus der Internetsprache stammende Kürzel steht als Ausdruck des Erstaunens für What The Fuck) zeigt Katharina Mückstein, dass es ihr in ihrem Dokumentarfilm auch um das Verhältnis der jüngeren Generation zum Feminismus und seinen Errungenschaften geht. Ein sehr wichtiger Punkt dabei ist für die junge Regisseurin, dem oft polemischen und verbissen geführten Krieg der Geschlechter eine eigene Bestandsaufnahme entgegenzusetzen. „Mein Feminismus hat auch sehr viel mit Humor zu tun. Natürlich ist es ein Kampf, aber gleichzeitig kann man das auch mit Humor verhandeln. Wenn du hundertmal dasselbe Vorurteil zu hören bekommst, wird das irgendwann auch absurd und lustig.“ So wird in Mücksteins Dokumentation dem Pop-Feminismus, etwa feministischen Rapperinnen, der in den USA sehr starken Szene der feministischen Comediennes mit Stars wie Amy Schumer oder auch den vielen erfolgreichen Netflix und Amazon Serien mit feministischen Inhalten wie „Transparent“, „Orange is the new Black“ oder „Girls“ von Lena Dunham, breiten Raum gegeben. „Ich wünsche mir, dass das Publikum von „Feminism WTF“ gut unterhalten wird und ein wenig entspannter aus dem Kino herauskommt. Und dass der Film mit einigen Unwahrheiten und Polemiken aufräumt.“ Die Recherche zum Film führte Mückstein etwa auch zu den weltweit gut vernetzten Protagonistinnen des New Feminism wie Laurie Penny, Michael Kimmel oder Cordelia Fine, trotzdem sollen alle Generationen der Frauenbewegung in ihrem Film zu Wort kommen. Die Regisseurin, Jahrgang 1982, ist in Bad Vöslau in einem familiären Umfeld aufgewachsen, in dem Feminismus nur noch als geschichtliche Episode wahrgenommen wurde. „Meine Schwestern und ich konnten immer alles machen, was wir wollten. Es war nie ein Thema, dass wir Mädchen sind. Erst als Studentin ist mir klar geworden, es geht um viel mehr als die Leistung, dass ich ständig auf mein Geschlecht angesprochen werde, und Frauenrechte keineswegs gesicherte gesellschaftliche Werte sind. Als Mädchen hätte ich nie geglaubt, dass Feminismus wieder ein Thema sein wird“, meint die Filmemacherin, „weil ich dachte, meine Mutter und Großmutter haben schon alle Rechte erkämpft. Inzwischen weiß ich, dass auch ich mein Leben lang noch kämpfen muss.“ Mit dem aktuellen Frauenvolksbegehren verbindet Mückstein auch die Hoffnung, dass dadurch wieder bewusst wird, wie jung die Errungenschaften des Feminismus eigentlich sind. „Ein eigenes Bankkonto, dass der Mann nicht mehr automatisch das Familienoberhaupt ist, das Recht auf Abtreibung ... Das ist alles noch nicht so lange her, das sind alles hart erkämpfte Rechte.“

Hommage an eine Ikone der Frauenbewegung
Der Dokumentarfilm „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“ nimmt sich der großen Ikone der österreichischen Frauenbewegung und ersten Frauenministerin des Landes an. „Johanna Dohnal ist für Frauen in meiner Generation natürlich ein großes Vorbild“, meint Sabine Derflinger, Regisseurin und Co-Produzentin des Films. Derflinger, bekannt vor allem für ihre Regie bei der ORF Serie „Vorstadtweiber“, hat selbst heftige Kämpfe in ihrem Arbeitsumfeld ausgefochten. „Ich war immer schon ein absolut politischer und engagierter Mensch. Ich habe mich sehr stark mit der Quotenfrage auseinandergesetzt und habe diesen Kampf um gleiche Arbeitsmöglichkeiten sehr stark am eigenen Leib erlebt. Irgendwie ist dieser Film über die größte Frauenpolitikerin des Landes jetzt auch eine logische Konsequenz aus diesen Kämpfen.“ „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“ setzt ein mit dem Moment, als Johanna Dohnal 1995 als Frauenministerin abgesetzt wurde. „Das ist sozusagen der Krimiplot. Gleichzeitig zeigt das politische Ende von Johanna Dohnal natürlich auf, dass da etwas gesät ist, das der Beginn ist von dem, wo wir heute gelandet sind“, ergänzt Derflinger. Die Notwendigkeit einer neuen Feminismusdebatte sieht sie daher umso dringlicher. „Seit der ersten Idee für den Film vor drei Jahren ist so viel passiert, in den USA und mit dem Rechtsruck in Europa. Plötzlich gibt es Kräfte, die Frauenrechte, für die es ja längst einen gesellschaftlichen Konsens gibt, wieder in Frage stellen. Zur gleichen Zeit sind die großen Debatten um MeToo ausgebrochen. Das ist eine Frauenbewegung die außerhalb der Politik steht, jetzt bräuchte man nur in der Politik die Frauen, die das auch umsetzen. Johanna Dohnal war jemand, die solche Impulse aufgenommen, in die Politik hinein getragen und das auch durchgezogen hat.“ Auch daher ist es Derflinger ein Anliegen, Johanna Dohnal mit „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“ wieder sichtbar zu machen. „Damit diese dritte Frauenbewegung jetzt etwas erreichen kann, gehört es eben auch dazu, dass die Frauen wissen, sie können an bereits Erreichtes anschließen.“

Ein Hoch auf das weibliche Geschlecht
Einen etwas anderen Zugang wählt Gabi Schweiger mit ihrem Film „Viva la Vulva“. Der Film spannt den Bogen von der Kulturgeschichte und Darstellungen der Vulva über den Einfluss von Religionen auf die Betrachtungsweise der Sexualität von Frauen bis zum Schönheitswahn des Internetzeitalters. „Über den Körper der Frau werden wahnsinnige Kriege ausgetragen!“ Gabi Schweiger, Jahrgang 1959, die in Steyr aufgewachsen ist und in ihrem Leben selbst einige Kämpfe um ihre Selbstbestimmung ausgefochten hat, möchte mit ihrem Film eine Bestandsaufnahme liefern: „Wo stehen Frauenrechte heute? Mit welchen Stolpersteinen haben Frauen heute zu kämpfen? Was sind die neuen Zwänge, mit denen Frauen zu tun haben.“ Das Grundgerüst des Films sind auch bei „Viva la Vulva“ Interviews mit Frauen, die sich auf verschiedenen Ebenen mit Frauenrechten auseinandersetzen. So kommen etwa die bekannte Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş, die Psychotherapeutin und Sachbuchautorin Sandra Konrad oder die aus dem Senegal stammende Rapperin und Aktivistin gegen weibliche Genitalverstümmelung Sister Fa zu Wort. „Einerseits kämpfen wir noch auf Ebenen wie gleicher Verdienst für gleiche Arbeit, dass Frauen nicht mit einer Mini-Pension da stehen, dass alleinerziehende Frauen nicht in die Armut rutschen oder dass es eine Geschlechterparität gibt in der Politik und in Entscheidungsgremien. Und andererseits haben wir es mit vielen neuen Themen zu tun, etwa dass das, was den Frauen als sexuelle Befreiung verkauft wird, eigentlich ein Gipfel von Kommerzialisierung ist. Es gibt eine sehr massive Industrie, die sehr viel Geld damit verdient, den Frauen zu sagen, wie sie aussehen sollten und was sie alles dafür tun müssen. Das raubt Frauen sehr viel Energie, geistige Energie, emotionale Energie, und diese Energie fehlt dann woanders.“ Weitere neue Problematiken, die Schweiger in ihrem Film thematisiert sind etwa der Einfluss der Internet-Pornografie und der Bilder, die wir ständig medial vermittelt bekommen oder das Phänomen der Cybergewalt gegen Frauen. „Wir kennen das von Journalistinnen oder Frauen, die sich aktiv mit ihrer Meinung im Netz bewegen und oft auf extrem sexistische Art und Weise angegriffen werden, um ihnen den Schneid abzukaufen und ihre Nerven zu rauben, damit sie sich möglichst zurückziehen.“ Dennoch ist Schweiger überzeugt, dass ein bisschen mehr Verständigung zwischen den Geschlechtern und der Abbau von Klischees und Rollenbildern möglich ist. „Letztlich glaube ich, dass es allen Kulturen und Gesellschaften wahnsinnig gut täte, auch im Sinne einer Weiterentwicklung in allen Bereichen, wenn Frauen wirklich 50 Prozent Anteil haben.”

Neue Feminismus Debatte
Drei unterschiedliche Filme von verschiedenen Frauengenerationen zu einem Thema, das 2018 wieder von höchster gesellschaftlicher Brisanz ist, wie auch Sabine Derflinger betont: „Seit ich an meinem Film arbeite, überrennen mich die Ereignisse. Inzwischen sind die Medien voll mit Frauen, die weltweit auf die Barrikaden gehen. „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“ ist so aktuell, wie ich es mir nie erträumt habe. Schön für den Film, aber schlecht für die politische Situation!“ Die Hoffnung, die jedoch alle drei Filmemacherinnen teilen, ist dass die aktuelle gesellschaftliche Debatte durch ihre Filme ein wenig in differenziertere Gewässer steuert.


„Mir ist es ein großes Anliegen, dem polemischen Diskurs etwas Humorvolles und Sachliches entgegen zu setzten.“
Katharina Mückstein


„Frauenrechte sind Menschenrechte. Eine Frauenrechtsdiskussion ist immer eine Menschenrechtsdiskussion.“
Sabine Derflinger


„Eine Frau, die wirtschaftlich abhängig ist, kann nicht sexuell befreit sein.“
Gabi Schweiger





„Feminism WTF“,
Regie Katharina Mückstein
Derzeit in Vorbereitung, Kinostart Herbst 2019

„Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“,
Regie Sabine Derflinger, Kinostart 2019

„Viva la Vulva“,
Regie Gabi Schweiger, wird im März 2019 auf ORF und ARTE gezeigt.








copyright: rois&stubenrauch | für Maxima 10/2018

  > textanfang
 
 
 
  copyright rois&stubenrauch - www.breve.at