SOUND OF VIENNA
 

Wieder auf Welttournee

 

Die Konzertreisen der großen Wiener Orchester als musikalische Botschafter des Wiener Klangs nehmen wieder an Fahrt auf. Coronabedingt noch unter Auflagen, dafür umso konzentrierter und entschlossener.

  Text: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
 

Der Wiener Klang ist weltweit gefragt: Rund 200 Gastspiele geben die Wiener Philharmoniker, die Wiener Symphoniker, der Concentus Musicus, die Wiener Sängerknaben und andere Wiener und österreichische Orchester in normalen Jahren in der internationalen Musikwelt, von New York über Hamburg bis Beijing. Natürlich hat die Coronapandemie letzte Saison, wie viele anderen kulturellen Aktivitäten, auch die Reisetätigkeiten der Wiener Orchester fast komplett zum erliegen gebracht. Mit umso mehr Verve kommen die Tourneen in der laufenden Saison – trotz der noch immer schwierigen Bedingungen – wieder in Schwung.

Klangmagie

Für Andrés Orozco-Estrada, Chefdirigent der Wiener Symphoniker, ist es der besondere Wiener Klang, der die Musik aus Wien so gefragt macht: „Der Klang der Wiener Symphoniker ist etwas ganz Besonderes, zusammengesetzt aus Tatsachen und viel Magie. Der Streicherklang zum Beispiel ist wirklich einmalig, besonders homogen und gleichzeitig mit sehr vielen Schattierungen. Bei den Bläsern haben wir die typischen Wiener Instrumente wie Oboe, Hörner, Trompeten oder Klarinetten mit ihrer eigenen Spielart, dadurch kommen ganz besondere Klangfarben zustande.“ Ein Spezifikum der Wiener Symphoniker, das sie mit den Wiener Philharmonikern und anderen Wiener Orchestern teilen, ist eine beeindruckende Historie mit zahlreichen Uraufführungen, legendären Konzerten und großen Momenten der Musikgeschichte. „Diese Wiener Tradition, kombiniert mit einer großen Neugier und Lust auf etwas Besonderes, macht den Klang der Wiener Symphoniker zu etwas, das man auf jeden Fall in die Welt tragen darf und muss“, so Orozco-Estrada weiter. „Deshalb sind wir, wenn wir unterwegs auf Tourneen sind, immer besonders glücklich, froh und stolz.“

Musik ist die Botschaft

Nach Konzerten in Deutschland und einer Tournee durch Spanien, Frankreich und Deutschland im März 2022 sind die Wiener Symphoniker zuversichtlich, dann im Juni als erstes Orchester nach den kommenden Februar anstehenden Olympischen Winterspielen in Beijing, wieder in China aufzutreten – trotz der momentan noch extrem strengen Corona-Auflagen im Land –, wie Jan Nast, Intendant der Wiener Symphoniker betont: „Wir sind froher Hoffnung, dass wir das so machen können.“ Für Nast geht es bei den Auslandstourneen der Wiener Symphoniker auch darum, die spezielle Atmosphäre der Musikstadt Wien zu transportieren: „Als Wiener Konzertorchester ganz selbstverständlich musikalisches Lebensmittel zu sein in dieser Stadt - diesen Geist möchten wir gerne mitnehmen.“ Das Orchester bringt aber auch viel mit zurück nach Hause von diesen Konzertreisen, nicht nur finanziell, so Nast weiter: „Im Sport nennt man das ein Auswärtsspiel – das schweißt auch noch mal ganz anders zusammen. Man rutscht noch mal mehr auf die Stuhlkante, man bemüht sich besonders – und ist dann natürlich auch sehr stolz über die Rückmeldung des Publikums, wenn man, sag ich jetzt einmal etwas salopp, für seine Stadt ein tolles Ergebnis einfährt. Wir haben ja diesbezüglich auch eine Verantwortung: Wir sind ganz offiziell kulturelle Botschafter der Stadt Wien.“

Japan revisited

Die Wiener Philharmoniker kommen gerade von einer großen Tournee im November mit Maestro Riccardo Muti zurück. Acht Konzerte in Japan, vier in Korea und zwei in Ägypten. Natürlich unter strengsten Auflagen: Das Orchester war in einer strikten „Blase“ unterwegs, pendelnd zwischen Konzertsaal und Hotel. „Das sind große Auflagen für unser Orchester“, wie Orchestervorstand und Primgeiger Daniel Froschauer hervorhebt. „Wir nehmen sehr viel auf uns, um reisen zu können und unsere Kunst in die Welt zu bringen!“ Die Tournee feierte auch unfassbare 50 Jahre musikalische Zusammenarbeit zwischen Riccardo Muti und den Wiener Philharmonikern. Solche großen Traditionen machen das Orchester international so begehrt, betont auch Froschauer: „Die Wiener Philharmoniker sind die Botschafter des Herzens und der Seele der Musik. Das ist eine Sprache, die man auf der ganzen Welt versteht. Wir haben diesen besonderen Klang, der geprägt ist durch unsere unglaubliche Tradition mit den größten Komponisten, die bei uns im Orchester waren: Wagner, Verdi, Bruckner, Brahms – sie alle haben ihre Werke mit uns aufgeführt. Dabei hat das Orchester natürlich sehr viel mitgenommen.“ Die weltweite Nachfrage nach dem speziellen Klang der Wiener Orchester ist auch 2021 ungebrochen: „Unsere acht Konzerte in Japan waren in sechs Minuten ausverkauft,“ wie Froschauer anfügt. Im Jahr davor wurden sogar allerhöchste diplomatische Kanäle bemüht, um den Wiener Philharmonikern am Höhepunkt der Pandemie als einem der ganz wenigen internationalen Orchester Auftritte in Japan zu ermöglichen. Ein Brief des damaligen Bundeskanzlers Kurz an den japanischen Ministerpräsidenten, sowie ein strenges Quarantänekonzept, öffnete auf höchster bilateraler Ebene die Türen für die Auftritte in Japan im November 2020. Die Konzerte der Wiener Philharmoniker in Korea anlässlich der Feierlichkeiten von 130 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Korea und Österreich 2022 stehen ebenso unter der Schirmherrschaft höchster diplomatischer Kreise, so Froschauer weiter: „Die Wiener Philharmoniker werden als Botschafter Österreichs gesehen – da merkt man auch, dass die Musik in Österreich einen sehr hohen Stellenwert hat.“

Gesteigerte Wertschätzung

Nicht alle Orchester können auf einen derartigen Sonderstatus und diplomatische Interventionen auf höchster Ebene zählen, beziehungsweise stellen manche pandemiebedingten Reisebeschränkungen noch immer logistisch unüberwindliche Hürden dar. Das Tonkünstlerorchester etwa hat seine für 2021 geplante, große Japantournee trotz des Starruhms, den sein Chefdirigent Yutaka Sado in Japan geniesst, auf die kommende Saison verschoben. Auch die Wiener Sängerknaben haben ihre traditionellen, weltumspannenden Tourneen von Australien bis Kanada absagen müssen, ebenso das RSO seine für den Jahreswechsel geplanten Konzerte in China, während die Spanientournee des RSO im März, nach jetzigem Stand, wie geplant stattfinden kann. „Man muss sich verabschieden von den Zeiten, dass man drei Jahre im voraus weiß, um welche Uhrzeit man abfliegt und wann man ankommt“, meint auch Daniel Froschauer und ergänzt in seiner Rolle als Orchestermusiker: „Aber wir machen das, weil wir sehen auf der Bühne, wie glücklich die Menschen sind, dass wir kommen und spielen, gerade in der Pandemie-Zeit. Dieses wirkliche Erleben der Musik – wir sind hier und jetzt alle gemeinsam, spielen und hören diese wunderbare Musik – dieses Gefühl ist noch stärker geworden für mich!“ Der weltweiten Nachfrage nach dem Wiener Klang hat die Pandemie keinen Abbruch getan, in gewisser Weise haben die schwierigen Umstände die musikalische Erfahrung sogar noch intensiviert. Und die Wiener Orchester finden Mittel und Wege, ihre internationalen Konzerttourneen wieder aufzunehmen – mit erhöhter Wertschätzung seitens der Zuhörerschaft und intensivierter Konzentration der Musiker.

 


wienersymphoniker.at
wienerphilharmoniker.at
tonkuenstler.at
rso.orf.at
concentusmusicus.com
wienersaengerknaben.at

 



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