WORLD HERITAGE
 

50 Jahre Schutz
für das Erbe
der Menschheit

 

Die Verabschiedung der UNESCO Welterbekonvention jährt sich 2022 zum
50. Mal. Angesichts der zahlreichen globalen Konflikte ist das wichtigste internationale Instrument zum Schutz der Kultur- und Naturdenkmäler der Erde aktueller denn je.

  Text: Evelyn Rois & Bruno Stubenrauch
 

Was verbindet die Kulturlandschaft Wachau, das Taj Mahal, die Iguazú-Wasserfälle und das historische Zentrum von Salzburg? Sie alle stehen auf der UNESCO Welterbeliste - gemeinsam mit aktuell insgesamt 1.154 Stätten aus 167 Ländern, die aufgrund ihrer Bedeutung als unersetzliches Kultur- bzw. Naturerbe der Menschheit von der UNESCO als besonders schützenswert erfasst sind. Die lange Liste widerspiegelt den Reichtum an globalem Kultur- und Naturerbe, den zu schützen und bewahren sich die UNESCO mit dem am 16. November 1972 in Paris verabschiedeten Übereinkommen auf die Fahnen geschrieben hat.

Über nationale Grenzen hinaus

Direkter Anlass für die Ausarbeitung der Welterbekonvention vor 50 Jahren war die gigantische Rettungsaktion für die Tempelanlagen von Abu Simbel. Die beeindruckenden, unter Pharao Ramses II. entstandenen Monumentalbauten drohten für immer in den Fluten des 1964 fertig gestellten Nasser-Stausees zu versinken. Ägypten sah sich außer Stande, den komplexen und kostspieligen Ab- und Wiederaufbau an einer 64 m höher gelegenen Stelle im Alleingang zu stemmen. In vier Jahren Bauzeit wurde das Megaprojekt unter Federführung der UNESCO schließlich umgesetzt. Die ikonischen Bilder der tonnenschweren, von massiven Kränen in der Luft gehaltenen Pharaonenköpfe ging durch die Medien der Welt. Die Rettungsaktion von Abu Simbel offenbarte die dringliche Notwendigkeit eines internationalen Regelwerks zum Schutz des historischen Erbes der Menschheit. Sabine Haag, Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission und für die Präsenz der UNESCO in Österreich verantwortlich, ist überzeugt, dass die UNESCO-Welterbekonvention in den letzten 50 Jahren maßgeblich zu einer gesteigerten Wertschätzung des Kultur- und Naturerbes beigetragen hat: „Ihre Verabschiedung 1972 hatte mehrere Konsequenzen: Zum einen wurde erstmals der Schutz von Kultur und von Natur in einem Völkerrechtstext vereint. Zum anderen wurde der völkerverbindende, universelle Charakter dieses Erbes hervorgehoben und festgeschrieben: Die einzigartigen Kultur- und Naturdenkmale der Welt sind nicht nur Angelegenheit einer spezifischen Community, einer Region oder eines Staates, sondern haben für die gesamte Menschheit signifikante Bedeutung!“ Ein entscheidender Punkt für Haag ist zudem, dass es im Umkehrschluss die kollektive Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, für die Bewahrung ihres gemeinsamen Erbes Sorge zu tragen: „Dass letztlich die gesamte Welt darauf achtet, wie man auf nationaler Ebene mit dem Welterbe umgeht, trägt entscheidend zum Bewusstsein dafür bei, dass die eigene Verantwortung über die eigenen Grenzen hinaus reicht.“

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„Die eigene Verantwortung
muss über die
eigenen Grenzen hinausreichen.“

Sabine Haag
Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission
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Wachsende globale
Herausforderungen

Angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel und der zahlreichen bewaffneten Konflikte der Gegenwart sind die vor 50 Jahren in der Welterbekonvention formulierten Ziele aktueller denn je, wie auch Lazare Eloundou Assomo, der neue Direktor des UNESCO World Heritage Centre in Paris, konstatiert: „Kulturerbe als Ausdruck kultureller Identität ist in Konfliktzeiten besonders gefährdet und seit den 1990er Jahren zunehmend das direkte Ziel systematischer und vorsätzlicher Angriffe.“ Eloundou Assomo stellt jedoch auch nachdrücklich klar: „Die vorsätzliche Zerstörung von Kulturgut ist ein schweres Verbrechen.“ Die Staatengemeinschaft reagierte auf die vermehrten Angriffe auf Welterbestätten 2017 mit einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, die die Zerstörung von Kulturerbe, einschließlich der Zerstörung religiöser Stätten sowie die Plünderung und den Handel mit Kulturgütern scharf verurteilt. Ebenso unmissverständlich schreibt die UNESCO Welterbekonvention fest, dass die mutwillige Zerstörung von Kulturgut ein eindeutiger Bruch des Völkerrechts darstellt. Dennoch hat sich in den letzten Jahren mehrfach gezeigt, dass kriegerische Auseinandersetzungen selbst vor UNESCO Welterbestätten nicht Halt machen: Von den Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan über die Moscheen von Timbuktu bis zur antiken Oasenstadt Palmyra in Syrien erlitten mehrere Welterbestätten teils unwiederbringliche Schäden.

Schutz vor Zerstörung

Die UNESCO hat ihre Bemühungen zum Schutz des Welterbes daher auf verschiedenen Ebenen intensiviert, wie Lazare Eloundou Assomo auf Nachfrage des Cercle Diplomatique betont: „In Konfliktsituationen fordert die UNESCO die Konfliktparteien auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz von Kulturgut nachzukommen. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts in der Ukraine hat die UNESCO die ukrainischen Behörden beim Schutz von Kulturgütern unterstützt und betont, dass insbesondere Welterbestätten nicht nur für die Ukraine, sondern für alle Länder der Welt von großer Bedeutung sind und ihre Erhaltung von großem Interesse für die ganze Menschheit ist.“ Länder wie Libyen, die Arabische Republik, Syrien und der Jemen erhielten von der UNESCO finanzielle und fachliche Unterstützung in Bezug auf Schutz- und Präventivmaßnahmen. Die UNESCO arbeitet zudem eng mit dem Satellitenzentrum der Vereinten Nationen UNOSAT zusammen, um die Schäden an Kulturgütern in Situationen bewaffneter Konflikte systematisch zu überwachen und zu bewerten. Klimawandel und die damit verbundenen Wetterextreme sowie menschliche Einflüsse, etwa Landnutzungsdruck, bedrohen zudem mehr als die Hälfte der Weltnaturerbestätten, betont Eloundou Assomo: „Die Unterstützung der am stärksten gefährdeten Länder und Regionen, wie kleine Inselstaaten und der afrikanische Kontinent, auf klimabedingte Ereignisse und ihre Auswirkungen auf das Erbe zu reagieren, sehe ich daher als eine Priorität der UNESCO.“ Diesen Bedrohungen und mutwilligen Zerstörungen stehen auf der anderen Seite all die zahllosen Welterbestätten gegenüber, die durch ihren Status für die Nachwelt erhalten bleiben. „Mit einer nahezu universellen Ratifizierung durch 194 Vertragsstaaten ist die Konvention eines der erfolgreichsten internationalen Abkommen in der Geschichte“, betont auch World Heritage Centre Direktor Eloundou Assomo. Insgesamt ist dem Welterbe-Programm eine immense Wirkung zu bescheinigen: „UNESCO Welterbe“ ist global zu einem Begriff geworden, der für das geschärfte Bewusstsein einer essenziellen, die ganze Menschheit als Gemeinschaft betreffenden Bedeutung ihres Kulturerbes steht.

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„Die Welterbekonvention
ist eines der erfolgreichsten
internationalen
Abkommen in
der Geschichte.“

Lazare Eloundou Assomo
Direktor UNESCO World Heritage Centre Paris______________________

30 Jahre Ratifizierung
durch Österreich

Auch für Österreich, das die Welterbekonvention 1992 ratifizierte und 2022 zugleich 30 Jahren Beitritt zum Abkommen feiert, ist das UNESCO-Welterbeprogramm eine Erfolgsstory. Mit 12 Welterbestätten ist Österreich auf der Liste des Welterbes vertreten - durchaus ein Grund stolz zu sein, wie Sabine Haag als Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission einräumt. Der eigentliche Zweck der Aufnahme in die Liste ist allerdings die nachhaltige Bewahrung dieser Stätten, betont Haag: „Wichtig ist natürlich primär, wie wir den Verpflichtungen nachkommen, denen wir uns durch die Ratifizierung der Konvention vor 30 Jahren verschrieben haben.“ Das historische Zentrum der Stadt Salzburg war Österreichs erste Welterbestätte. Am 1. Januar 1997 aufgenommen, zelebriert Salzburg heuer 25 Jahre UNESCO Weltkulturerbe - Anlass genug, endlich das lange geplante Welterbezentrum in der Orangerie des Mirabellgarten auf Schiene zu bringen. Schloss Schönbrunn, die Region Hallstatt-Dachstein, die Semmering Eisenbahnstrecke, das historische Zentrum der Stadt Graz, die Kulturlandschaft der Wachau, das historische Zentrum Wiens und der Neusiedler See folgten. „Seit einigen Jahren lässt sich eine Tendenz zu komplexen, transnationalen Nominierungen beobachten“, merkt Sabine Haag an: „Die jüngsten Österreichischen Stätten, die ,Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen‘, die ,Alten Buchenwälder und Buchenurwälder‘, die ,Great Spa Towns of Europe‘ und der ,Donaulimes‘ sind wunderbare Beispiele dafür.“

Welterbe im Wandel

Baden etwa wurde im Juli 2021 gemeinsam mit 11 historischen Kurorten in sieben europäischen Ländern als Welterbestätte aufgenommen, der Eintrag „Donaulimes“ umfasst mehr als 30 Orte in Deutschland, Österreich und der Slowakei. „Letztlich versinnbildlichen diese transnationalen Projekte eine wesentliche Grundidee des Welterbes – und der UNESCO insgesamt: die Wichtigkeit internationaler Kooperation und das verbindende Element von Kultur- und Naturerbe“, so Sabine Haag abschliessend. In den momentan eher turbulenten Zeiten wird das UNESCO-Welterbe als wichtigstes internationales Instrument zur Bewahrung des Kultur- und Naturerbes der Menschheit sicherlich noch an Bedeutung zulegen. Die Konferenz der UNESCO zum 50. Bestehen des Programms diesen November in Florenz ist jedenfalls selbstbewusst „The Next 50“ betitelt, mit der starken Ansage „Welterbe als Quelle der Widerstandsfähigkeit, Menschlichkeit und Innovation“ im Untertitel.



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unesco.at




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